ARCHITEKTUR MUSS BRENNEN, NICHT BLENDEN


von Stefanie Lang & Matthias Wild

Am Beginn des vorigen Jahrhunderts haben bedeutende Schulen mit herausragenden Größen die Bühne der Welt betreten. Einrichtungen wie die Kunstschule in Finnland von Eliel Saarinen, das Bauhaus, sowie die eigens initiierte Architekturschule von Frank L. Wright, haben durch ihr Wirken das Verständnis des Lehrens auf der Ebene der Architektur geprägt und verändert. Durch das Leben aus Gemeinschaft und dem intensiven Austausch und Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden, wurde Architektur auf einem neuen Level geschaffen. Diese direkte Wissensvermittlung führte zu einer Bewegung, einer Form von Architektur, die bis heute in den Köpfen der Architekten vorhanden ist und maßgeblich an der Entwicklung der Moderne beteiligt war. Überzeugung, Interesse und Leidenschaft hat diese Architektur, und jene, die für die Weitergabe des Wissens und der notwendigen Erfahrungswerte verantwortlich waren, geprägt.

Die Probleme im österreichischen Bildungssystem finden sich auch in der Verwirrung und dem wahren Zustand des Lehrprogrammes der Architekturfakultäten wieder.

Wir haben gelernt, dass der Austausch der Studenten untereinander, das Kommunizieren auf einer Ebene, auch mit Dozenten, und das Bestreben, gute Architektur um der Architektur Willen zu produzieren, der Sinn unserer Tätigkeit sein sollte. Es wurde das Verständnis gewonnen, dass der Bereich der Architektur nicht von der Einwirkung und dem Austausch mit dem verwandten und eng zusammenhängenden Sachgebiet der Bauingenieure getrennt werden darf. Das starke Separieren dieser Berufsgruppen hat im Laufe der Zeit dazu geführt, dass die Architekturstudenten von heute, sich nur noch auf ihre gestalterische Funktion berufen, während die Bauingenieure auf ihre Rechenkenntnisse so erpicht sind, dass die Architektur bzw. das Erforschen der Baukunst vollkommen in den Hintergrund gedrängt wird.

„So wie du bist, so sind auch deine Gebäude.“

Louis Sullivan, 1924

Für ihn waren der Mensch und die Architektur untrennbar miteinander verbunden. Wenn der Mensch untrennbar mit Architektur verbunden ist, sollte dann nicht auch der Mensch im Zentrum unserer Ausbildung stehen? Das Gebäude muss sich seinem Benutzer anpassen,

„Form follows function“

Louis Sullivan, 1896

„Etwas Unpraktisches kann nicht schön sein“

Otto Wagner, 1896

Wenn wir uns an den heutigen Bildungsstätten der Technischen Universitäten umsehen, dann müssen wir feststellen, dass die Kommunikation zwischen Studierenden und Dozenten, sowie innerhalb dieser beiden Gruppen, nicht ideal vonstatten geht. Was unter anderem auch auf die Baumasse, deren Einteilung und Gestaltung zurückzuführen ist. Es wird eine gewisse Dissonanz zwischen Unterrichtsräumlichkeiten und Unterrichtsform verspürt, wobei festgehalten werden muss, dass beide in ihrer jetzigen Form weder produktivitäts– noch kreativitätsfördernd sind.

„Wir wollen Architektur die mehr hat. Architektur, die blutet, die erschöpft, die dreht und meinetwegen bricht. Architektur, die leuchtet, die sticht, die fetzt und unter Dehnung reisst. […] Wenn sie kalt ist, dann kalt wie ein Eisblock. Wenn sie heiß ist, dann heiß wie ein Flammenflügel. Architektur muss brennen.“

Wolfgang Prix, Coop Himmelb(l)au, 1980

Die im vorangegangenen Zitat erwähnte Forderung nach extremer und vielfältiger Architektur setzt eine gewisse Form der Wissensvermittlung, wie sie auch im Fall der Eingangs erwähnten Architekturschulen praktiziert wurde, voraus. Der Gedanke des Zitats ging insofern verloren, als die Aussagekraft und Qualität der Architektur vorwiegend auf optische Reize und Effekthascherei reduziert wird. Architektur muss brennen, nicht blenden. Es scheint als wäre der Erfolg eines Projektes eher durch gekonnte Visualisierung und bestechende Darstellung, als durch qualitative, durchdachte und funktionelle Architektur zu erreichen. Klare, verständliche Darstellung und eine gewisse Präsentationsgabe sind Grundvoraussetzungen des Architekten, nicht zuletzt um das Entwurfskonzept auch Laien verständlich zu übermitteln, aber diese Werkzeuge entscheiden nicht über die Raffinesse des Projekts.

Architektur ist einem permanenten Wandel unterworfen, der eine nachhaltige, energieeffiziente, funktionelle und somit zeitgemäße Verantwortungsarchitektur erfordert.

„Es ist immer gefährlich, wenn Architekten sagen, sie sind Künstler“

Klaus Kada, 2003

Durch das Auftreten der Fachhochschulen hat sich das Programm der TU noch weiter von wirtschaftlichen Aspekten entfernt, anstatt die postitiven Aspekte der FH aufzugreifen und zu verbessern. Die Unterrichtsform der FH ist keinesfalls zu Unterstützen, die Verschulung und Klassenbildung, weitestgehend ohne Austausch zwischen den einzelnen Lerngruppen ist für einen kreativitätsfördernden Unterricht ungeeignet. Kreativität resultiert aus Abwechslung.

„Die große Gefahr der modernen Architektur ist der Bazillus der Monotonie.“

Alvar Aalto

Folglich sollte diese Konkurrenz als Anstoß zum gesunden Wettbewerb gesehen werden, bei dem die TU zwar alle Trümpfe in der Hand hält, diese jedoch nicht richtig auszuspielen vermag. Die ohnehin schon starke Vernetzung aller Studierenden eines Jahrgangs sollte verstärkt und gefördert werden – eine Aufgabe, die die Architektur des Architekturstudiums übernehmen kann und muss.

„Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen.“

Walter Gropius, 1956

Transparente, offene Räume, vom Gang aus einsehbar, verstärken den Impuls und das Interesse füreinander und fördern den grundlegenden Gedanken der Universität, voneinander zu lernen und sich selbstständig Wissen anzueignen. Wenn die Seminarräume gleichartiger Lehrveranstaltungen in geringen Abständen voneinander angeordnet sind, und nicht wie heute am gesamten Unicampus verstreut liegen, kann die interaktive Kommunikation optimal vonstatten gehen, man trifft sich ganz automatisch. Die Räumlichkeiten sollten um einen zentralen, offenen Platz arrangiert sein, der nicht nur als Erschließungszone, sondern auch als Kommunikationsfläche und Treffpunkt funktioniert. Die Räume selbst sollen ähnlich den Zeichensälen, oder dem HS2 organisiert sein, mit variabel anordenbaren Tischgruppen, um auch die Kommunikation innerhalb der Arbeitsgruppen zu forcieren. Der Zeichensaalcharakter bringt eine Durchdringung von Arbeit und Freizeit, bzw. von Arbeits- und Wohnräumen, ein funktionierendes universitäres Gesprächs- und Arbeitsklima erfordert eine Innere Transparenz.

„Die Qualität von Städten und Plätzen lässt sich am Reißbrett entwerfen, ihre Schönheit kommt durch die Zeit.“

Renzo Piano

Die Umstellung auf das Bakkalaureat erwirkte eine starke Verschulung, welche die Interessen und Freiheiten des einzelnen Studierenden enorm einschränken, und eine weitestgehend individuelle Gestaltung des Studiums durch restriktive Durchsetzung einer Voraussetzungspolitik nahezu unmöglich macht. Das enorme Spektrum der Architektur und deren Möglichkeiten wird auf ein Minimum reduziert und die Studenten bewusst in eine vorgegebene Richtung geleitet, anstatt ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Weg selbst zu finden. Die Zeit der Ausbildung muss als eine Testphase verstanden werden, in der vermittelt wird, wo die Schwerpunkte und Prioritäten in einem späteren Berufsleben gesetzt werden, in welchem Teilbereich der Architektur auch immer. Gute Architektur wird durch Empathie geschaffen, welche in der Trainingsphase, dem Studium, in der keine Konsequenzen zu befürchten sind, durch das Diskutieren und Kommunizieren untereinander erreicht werden kann.

Der Bachelor muss als Basis verstanden werden, in dem der Student/die Studentin die grundlegenden Werkzeuge der Architektur, eines Architekten erlernt, um sich im Master den eigenen Interessen entsprechend weiterzubilden. Die Grundausbildung muss jedoch so weitreichend sein, dass der Student nach erfolgreichem Abschluss derselbigen befähigt ist, in einem Architekturbüro zu arbeiten.

Hierfür wäre eine intensivere Ausbildung erforderlich, welche natürlich auch mehr Zeit in Anspruch nimmt. 8 Semester sind ein idealer Kompromiss, bei dem sich Möglichkeiten wie mehrsemestrige Projekte und weitreichendere Themenauseinandersetzungen, bzw. –vertiefungen eröffnen. Weiters kann dadurch erst die intensivere Verbindung der einzelnen Teilbereiche, die das vernetzte Denken, Quintessenz des Architekturberufs, erfordern, weitreichender behandelt werden.

„Meine Beobachtung an den Hochschulen ist: Jeder schaut in einen PC rein, die können schon keine Bleistifte mehr halten. […]Die Idee war immer eine Handskizze.“

Günther Domenig, 2003

Ein optimaleres Konzept wäre die Zusammenfassung der Fächer des ersten Studienjahrs auf 3 Teilbereiche:

  • Gestalten, Entwerfen und Konstruieren,
  • Tragwerksentwurf und Bauphysik, sowie
  • Architekturgeschichte, Wirtschaft und Soziologie.

Dadurch wird der Gesamtumfang, sowie das Anforderungsprofil an einen Architekten bedeutend besser simuliert, die Studierenden bekommen einen realistischen Eindruck über den Architekturberuf, und ob sie für selbigen geeignet sind. In diesen beiden Semestern ist ein fix festgelegter Lehrstoff zu vermitteln, der allen Studierenden, egal welcher Vorbildung, eine solide Basis für das weitere Studium vermittelt, und bei entsprechend strenger Beurteilung einen Eignungstest ersetzt.

„Die Ausbildung vermittelt den Studierenden auf wissenschaftlicher Basis ein Grundlagenwissen in der Methodik des architektonischen Entwerfens und Konstruierens und in der ganzheitlichen Bewältigung architektonischer Aufgaben[…]“

Studienreglement 2011 für den Bachelor-Studiengang Architektur, ETH Zürich.

In Folge dessen wird auch die Diskrepanz der Qualität zwischen den einzelnen Instituten verringert, auch wenn es den Instituten freisteht wie sie die geforderten Lehrinhalte überbringen. Das Konzept soll in den weiteren Semestern ähnlich weitergeführt, die fächerübergreifende Lehrmethode beibehalten werden. Die Inhalte werden detaillierter und weiter vertieft, es kommen Fächer wie Städtebau, Gebäudelehre, Gebäudetechnik, Baurecht, Geschichte des Städtebaus, Denkmalschutz, Landschaftsarchitektur, sowie Bauprozesse und Bauforschung hinzu. Außerdem werden 2-wöchige Seminare, bzw. Workshops zu Themengebieten neben der klassischen Architektur, wie „Grundlagen des Designs“, „Grafik und Typografie“, „Innenarchitektur und Lichtplanung“, „Architekturfotografie“ und Ähnliche, anstatt der herkömmlichen, vertiefenden Themen, angeboten.

Weiters ist im Laufe des Bachelors ein mehrmonatiges Praktikum in Architekturbüros zu absolvieren, sowie gegen Ende der Bachelorausbildung, im 7.Semester, ein Auslandsaufenthalt vorgesehen, der sowohl dem kulturellen Austausch, als auch der technischen Weiterbildung dienen soll.

„Architektur ist die einfachste und billigste Bildungseinrichtung, die die Gesellschaft überhaupt hat. Es ist ein Beweis dafür, wie die Gesellschaft existiert und wie sie existiert hat. Und das zu übersetzen, diese Sprache zu finden, das ist etwas, was die Gesellschaft unbedingt braucht. Das ist das wichtigste überhaupt, denn sonst ist sie nicht in der Lage, ihre eigene Zeit zu erkennen.“

Klaus Kada, 2003

Der Masterstudienplan unterscheidet sich grundlegend von jenem des Bachelors. Hier wird den Studierenden in 5 Semestern die Möglichkeit gegeben, sich für die weitere Berufsorientierung zu spezialisieren, um eine dementsprechend umfassende Ausbildung innerhalb des Spezialgebiets zu erhalten. Die Spezialisierung im Master durch die Wahl unterschiedlicher Lehrveranstaltungen bzw. –themen reicht nicht aus um die Themenbereiche ausreichend tiefgründig zu behandeln. Ein Modulsystem, in dem die einzelnen Spezifikationen über die gesamte Dauer des Masterstudiums intensiv behandelt und erlernt werden, und das parallel zu einer teilzeitlichen Anstellung verläuft. Es ist in weiterer Folge natürlich ebenfalls möglich, mehrere Module nacheinander zu absolvieren und es wird eine hervorragende Brücke zwischen Theorie und Praxis geschaffen.

Die vorgesehenen Module sind:

  • Klassische Architektur,
  • Digitale Parametrische Architektur,
  • Innenarchitektur und Design,
  • Städteplanung, sowie
  • Architektur und Energie

Im Modul „klassische Architektur“ wird das im Bachelor erlernte Wissen vertieft und vor allem in Richtung Baustellenabläufe, Wirtschaft und Recht intensiviert, in „Architektur und Energie“ nicht nur die Energieeffizienz der Form von Gebäuden, sondern auch deren technischer Inhalt abgehandelt, usw. Ein gewisser Grundstock wird allerdings in allen 5 Modulen erlernt, um dem Titel des Master of Architecture gerecht zu werden.

Ziel dieses Programms ist es, die fundamentalen Inhalte des jetzigen Masterstudiums bereits im Bachelor abgehandelt zu haben, um sich im Masterabschnitt spezialisieren zu können, und viel tiefgreifenderes Wissen zu erlangen.

„Architektur ist Plastik, aber sie hat ein Klo. Diese Architektur, die wir machen, braucht unsere Gesellschaft wie einen Bissen Brot. Wenn wir nicht in der Lage sind, diese Art von Denken zu erlauben, dann schneiden wir uns die Ressourcen der Zukunft ab.“

Wolfgang Prix, 2003

Ebenfalls ist es uns ein Bedürfnis die Architektur nicht nur auf der Uni zu belassen, sondern in die Stadt, zu den Menschen hinauszutragen. Im Umfeld bedeutender Grazer Bauwerke werden Architekturplattformen geschaffen, wo besagte Gebäude beschrieben, und die Arbeiten der Studierenden ausgestellt werden. Es ist uns ein Anliegen das Bewusstsein der Bevölkerung für die Arbeit der Architekten zu stärken und auf die Allgegenwärtigkeit der Baukunst hinzuweisen. Somit wäre auch eine Transparenz nach Außen gegeben, die der Profession des Architekten wieder mehr Gewicht gibt.

„Es gibt einige Leute, die interessiert daran sind, es gibt vielleicht auch Institutionen, die interessiert daran sind, und es gibt auch ganz spezifische Bauherren, die interessiert daran sind, Architektur als Transportmittel zu verwenden. […] Architektur ist auch international immer nur eine Angelegenheit von wenigen, die erkannt haben, was das eigentlich sein kann.“

Klaus Kada, 2003


Kritik an meinem aktuellen Studium


Nach fünf Jahren Studium, nun am Ende angelangt, hat sich der Unmut über das Architekturstudium an der TU Graz stetig gesteigert. Es ist nun an der Zeit, diesen in seinen vielen Facetten kund zu tun. Nicht nur aus unserer subjektiven Sichtweise, sondern auch vor dem Hintergrund vieler Gespräche mit Kollegen, die unsere Meinung teilen.

§ Studieneingang

Die Politik verordnet die Zugangsbeschränkung von Massenstudien, dies gilt auch für das Architekturstudium in Graz, mit über 340 Erstsemestrigen letztes Jahr. In diesen Fällen wird der Nummerus Clausus diskutiert, besser wäre allerdings, wenn schon erforderlich, einfache Aufnahmetests und ein anschließendes Aufnahmegespräch, um im Vorhinein geeignete Personen für dieses Studium zu selektieren. Logisch wäre ein Test, bei dem Wissen auf Maturaniveau abgefragt wird, sowie Themenschwerpunkte, die Architektur im allgemeinen betreffen (z.B. räumliches Vorstellungsvermögen). Ein anschließendes Bewerbungsgespräch, nach Einsichtnahme und Bewertung des Tests, bei einem turnusmäßig wechselnden Aufnahmegremium, sollte dann über die Fähigkeit zum Architekturstudium entscheiden. Es geht dabei vor allem darum, jene Bewerber an auszusieben, die für das Studium ungeeignet erscheinen. In Anbetracht von mehr als 340 Bewerbungen, die miteinander verglichen werden können, ist dies sicher möglich.

§ Effizienz

Das effiziente Handeln der Universität, wohl aufgrund von politischem Druck, wird meist nur vorgegaukelt. Dem Anspruch wirtschaftlich zu Arbeiten, wie ein Unternehmen, wird stringent nach zu kommen versucht. Es mag grundsätzlich schon positiv sein, aber ist es wirklich das Ziel einer öffentlichen Institution, einem Großkonzern nachzueifern? Wohl hoffentlich nicht! Eine Universität sollte nach wie vor ein Ort der freien Forschung, des Austausches und der Lehre sein.

§ Evaluierung

Das aktuelle Evaluierungssystem bringt nichts! Von den meisten Lehrveranstaltungen erhält man eine zu geringe Rücklaufquote. Besser wäre es, wenn man die Note erst nach erfolgter Evaluierung einsehen kann! Studenten müssen dazu verpflichtet werden.

§ Eigenverantwortung

Den Studenten kann ruhig mehr Eigenverantwortung zugetraut werden! Sie sind schließlich nicht mehr im Kindergarten und bereits erwachsen! Die Verantwortung zum Studieren liegt momentan nicht beim Studenten, sie haben keine Macht über ihr Studium. Das eher verschulte System ist nur ein Vorwand zur Qualitätssteigerung. Man ist heutzutage auf der Universität dauerbeschäftigt auf Etappen, man hat keinen Freiraum zur Selbstverwirklichung. Unsere Gesellschaft hat eine Höllenangst vor Leerlauf, es reicht schon, wenn es danach aussieht konstant Ergebnisse zu liefern. Selbstfindung liefert in einer neoliberal geprägten Welt keine verwertbaren Ergebnisse!

§ Arbeit und Studium

„Mindestens genauso wichtig im Sinne einer qualitativ hochwertigen Ausbildung sei aber die persönliche Entwicklung, und für die nähmen sich die Studierenden derzeit zu wenig Zeit.“¹ Aber von woher nimmt man die Zeit? Wenn man gerade nicht für sein Studium arbeitet, müssen Studenten oft nebenher Arbeiten, um für ihren Lebensaufwand aufzukommen. Das heißt in den meisten Fällen brauchen sie auch mehr Zeit zum Studieren. Aufgrund des Systems lässt sich Studium und Arbeit schlecht miteinander kombinieren. Durch das straff strukturierte Bachelor – Mastersystem haben jene, die länger brauchen, einen klaren Nachteil aufgrund der Voraussetzungen für spätere Lehrveranstaltungen. Die Pflichtwahlfächer sollen demnach von den Masterstudios entkoppelt werden – somit frei als Wahlfach zur Verfügung stehen. Dem Student muss so viel Eigenverantwortung zugetraut werden, dass er nach seinem Interessensschwerpunkt Lehrveranstaltungen auswählen kann. Der Student braucht den Freiraum sein Studium selbst zu organisieren.

§ Leistungsanspruch

Es gibt momentan keinen Leistungsanspruch bei „Leerveranstaltungen“. Das Leistungsniveau wird meist seitens des Lehrpersonals absichtlich niedrig gehalten, um das Arbeiten auf gleichem Niveau zu ermöglichen. Dieses darf nicht abgesenkt werden, nur weil ein Student oder ein paar Leute zu faul und zu dumm sind! Sogar Arbeiten, die eigentlich nicht dem Hochschulniveau entsprechen, werden meist noch mit einer guten Note bewertet. Anwesenheit genügt. Dadurch besteht auch kein Ansporn hohe Leistungen zu erbringen. „Irgendwie komm ich eh immer durch!“ Demnach wird das „Schlecht sein“ auch nicht mit einer negativen Note bestraft. Eine Leistungsgerechte Beurteilung ist erforderlich!

Was ich bei der einer LV im 3. Semester gelernt habe, brauche ich nicht noch einmal in einer LV im 7. Semester hören, und vor allem nicht noch einmal von Grund auf. Es ist ermüdend immer wieder das Gleiche durchzukauen. Wenn jemand die Voraussetzung bzw. das Wissen für ein Fach in einem höheren Semester nicht hat, muss er sich die mangelnden Informationen selbst erarbeiten ansonsten schafft er die Lehrveranstaltung einfach nicht! Eine Zugangsbeschränkung kann auch mit reinem Leistungs-/Wissenserfordernis erreicht werden. Das Studium sollte unserer Meinung nach aufbauend sein und bis zum Studienende zu mehr bzw. vielfältigen Wissen führen.

§ Institutsprofessoren

Viele LV werden trotz Ankündigung nicht von einem Professor betreut. Wie kann es sein, dass ein Professor nur drei mal zu einem Entwerfen erscheint? Um sich ein reales Bild von den Leistungen der Studenten zu machen, fehlt ihm unserer Meinung nach die Zeit. Professoren die nie bis selten da sind, können kein Institut professionell leiten und in einem noch geringerem Maße Studenten fachgemäß und ausreichend betreuen. Unsere Forderung ist also, wenn ein Architekt oder Wissenschaftler an ein Institut berufen wird, sollte er 100% seiner Arbeitszeit da sein und nicht nebenbei Vollzeit ein Studio/Büro führen. Um der Gefahr zu entrinnen realitäts- oder praxisfremd zu werden, sollte er spezialisiertes Fachpersonal mit Schwerpunktwissen an sein Institut berufen, das ihn bei seiner Arbeit, Forschung sowie Lehre unterstützt. Das dies nicht der Fall ist, scheint ein Grund zu sein, warum mangelndes Wissen quer durch alle Ebenen vermittelt wird.

§ Vernetzung

Warum wird die Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten der TU Graz und auch darüber hinaus, nicht bereits während des Studiums stärker gefördert? Im späteren Berufsleben stellt diese Vernetzung immerhin die Regel und nicht die Ausnahme dar. Zwar existieren bei vereinzelten Lehrveranstaltungen Kooperationen, jedoch sind diese nur auf die Lehrtätigkeit beschränkt. Das Ziel ist aber, mit Studenten aus anderen Sparten, gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Selbst die Institute untereinander, wissen oft nicht genau, womit die Kollegen gerade beschäftigt sind und so kommt es immer wieder zu unnötigen, inhaltlichen Überschneidungen. In vielen Fällen bietet die Zusammenarbeit mehrerer Institute großes Potential, zur tiefer gehenden und vielfältigeren Auseinandersetzung mit einem Themengebiet.

§ Diplom

Die Regelung, dass nur Professoren Diplomarbeiten betreuen dürfen, resultiert nicht in einer Qualitätssteigerung der Projekte. Eher leidet die Qualität der Arbeiten, weil zu viele Studierende bei einem Professor sind, der dadurch weniger Zeit hat. Die oben genannten Gründe von wegen „Vollzeitarchitekt“ in der Wirtschaft tragen auch ihren Teil dazu bei. Viele Diplomanden sind verärgert. Meist aufgrund mangelnder und schlechter Betreuung. Allen, die vor ihrer Diplomarbeit stehen wird gesagt: „Mach einfach schnell irgendwas!“ – Warum gibt es dann überhaupt noch so etwas wie eine wissenschaftliche Arbeit, die sich Diplomarbeit nennt, wenn sie keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit hat? Es stellt sich die Frage: Wieso wird dieses erhabene Bild des Hochschulabschlusses dann nicht gleich abgeschafft? Die Diplomarbeit könnte durch ein letztes Studio ersetzt werden. Das Thema wird vorgegeben, jeder hat 15 Wochen Zeit, dann gibt’s den Titel. Geht doch viel schneller und ist super zum Vergleichen! – Es gibt Regeln für eine wissenschaftliche Arbeit, die als Mindestanforderung auch für Diplomarbeiten gelten! Schließlich heißt es ja schon im Titel „Master of Science“, wörtlich übersetzt also, ein Meister der Wissenschaft der seine Wissenschaft beherrscht.

§ Infrastruktur

Die terminliche Abstimmung von Lehrveranstaltungen im Semesterverlauf funktioniert nicht. Die Überschneidungen von Pflicht-LV mit Wahlfächern, vor allem im Masterbereich ist sehr ärgerlich 😦

Für viele Lehrveranstaltungen gibt es keine oder nur schlechte Infrastruktur. Mir fallen dazu sofort mehrere Beispiele ein: Bei den Projektübungen fehlen meist die Studioräumlichkeiten. Wozu werden diese denn überhaupt benötigt? Schließlich gibt es an der TU das etablierte Zeichensaalsystem zum gemeinschaftlichen Arbeiten. Es scheint zwar genug Räumlichkeiten an der TU Graz zu geben, jedoch werden diese sehr ineffizient genutzt. Besser wäre es doch, das Bekannte an die heutigen Erfordernisse anzupassen. → Link zu AZ-Neu.

§ Verschircherungen

Ist an einer Architekturuni schon alles egal? Gibt es keinen Gestaltungswillen mehr? Ist der Anspruch auf qualitätsvolles Design und fachgerechte Umsetzung völlig verloren gegangen? Eines der deutlichsten Beispiele – ein nicht nur von Studenten diskutiertes Thema – sind die ständigen, anscheinend gut gemeinten Umbauten und Adaptionen im Park der alten Technik. Anstatt das Geld in unnötige Umbauten zu investieren, wäre es wohl besser, es den Instituten/Fakultäten für die Lehre zu geben! Oft wäre eine Möglichkeit zur Umsetzung der Theorie in die Praxis für Studenten wünschenswert – auch handwerklich. Könnten nicht die Architekturstudenten die Chance bekommen, ihre Entwürfe anzuwenden oder ihre Ideen in die Realität umzusetzen? Wir schämen uns.

¹ Hans Gangoly in: Christof Huemer, „Freier, kleiner, länger“, design monat graz magazin, Juni 2011, 30.

© lemarewe