Kritik an meinem aktuellen Studium


Nach fünf Jahren Studium, nun am Ende angelangt, hat sich der Unmut über das Architekturstudium an der TU Graz stetig gesteigert. Es ist nun an der Zeit, diesen in seinen vielen Facetten kund zu tun. Nicht nur aus unserer subjektiven Sichtweise, sondern auch vor dem Hintergrund vieler Gespräche mit Kollegen, die unsere Meinung teilen.

§ Studieneingang

Die Politik verordnet die Zugangsbeschränkung von Massenstudien, dies gilt auch für das Architekturstudium in Graz, mit über 340 Erstsemestrigen letztes Jahr. In diesen Fällen wird der Nummerus Clausus diskutiert, besser wäre allerdings, wenn schon erforderlich, einfache Aufnahmetests und ein anschließendes Aufnahmegespräch, um im Vorhinein geeignete Personen für dieses Studium zu selektieren. Logisch wäre ein Test, bei dem Wissen auf Maturaniveau abgefragt wird, sowie Themenschwerpunkte, die Architektur im allgemeinen betreffen (z.B. räumliches Vorstellungsvermögen). Ein anschließendes Bewerbungsgespräch, nach Einsichtnahme und Bewertung des Tests, bei einem turnusmäßig wechselnden Aufnahmegremium, sollte dann über die Fähigkeit zum Architekturstudium entscheiden. Es geht dabei vor allem darum, jene Bewerber an auszusieben, die für das Studium ungeeignet erscheinen. In Anbetracht von mehr als 340 Bewerbungen, die miteinander verglichen werden können, ist dies sicher möglich.

§ Effizienz

Das effiziente Handeln der Universität, wohl aufgrund von politischem Druck, wird meist nur vorgegaukelt. Dem Anspruch wirtschaftlich zu Arbeiten, wie ein Unternehmen, wird stringent nach zu kommen versucht. Es mag grundsätzlich schon positiv sein, aber ist es wirklich das Ziel einer öffentlichen Institution, einem Großkonzern nachzueifern? Wohl hoffentlich nicht! Eine Universität sollte nach wie vor ein Ort der freien Forschung, des Austausches und der Lehre sein.

§ Evaluierung

Das aktuelle Evaluierungssystem bringt nichts! Von den meisten Lehrveranstaltungen erhält man eine zu geringe Rücklaufquote. Besser wäre es, wenn man die Note erst nach erfolgter Evaluierung einsehen kann! Studenten müssen dazu verpflichtet werden.

§ Eigenverantwortung

Den Studenten kann ruhig mehr Eigenverantwortung zugetraut werden! Sie sind schließlich nicht mehr im Kindergarten und bereits erwachsen! Die Verantwortung zum Studieren liegt momentan nicht beim Studenten, sie haben keine Macht über ihr Studium. Das eher verschulte System ist nur ein Vorwand zur Qualitätssteigerung. Man ist heutzutage auf der Universität dauerbeschäftigt auf Etappen, man hat keinen Freiraum zur Selbstverwirklichung. Unsere Gesellschaft hat eine Höllenangst vor Leerlauf, es reicht schon, wenn es danach aussieht konstant Ergebnisse zu liefern. Selbstfindung liefert in einer neoliberal geprägten Welt keine verwertbaren Ergebnisse!

§ Arbeit und Studium

„Mindestens genauso wichtig im Sinne einer qualitativ hochwertigen Ausbildung sei aber die persönliche Entwicklung, und für die nähmen sich die Studierenden derzeit zu wenig Zeit.“¹ Aber von woher nimmt man die Zeit? Wenn man gerade nicht für sein Studium arbeitet, müssen Studenten oft nebenher Arbeiten, um für ihren Lebensaufwand aufzukommen. Das heißt in den meisten Fällen brauchen sie auch mehr Zeit zum Studieren. Aufgrund des Systems lässt sich Studium und Arbeit schlecht miteinander kombinieren. Durch das straff strukturierte Bachelor – Mastersystem haben jene, die länger brauchen, einen klaren Nachteil aufgrund der Voraussetzungen für spätere Lehrveranstaltungen. Die Pflichtwahlfächer sollen demnach von den Masterstudios entkoppelt werden – somit frei als Wahlfach zur Verfügung stehen. Dem Student muss so viel Eigenverantwortung zugetraut werden, dass er nach seinem Interessensschwerpunkt Lehrveranstaltungen auswählen kann. Der Student braucht den Freiraum sein Studium selbst zu organisieren.

§ Leistungsanspruch

Es gibt momentan keinen Leistungsanspruch bei „Leerveranstaltungen“. Das Leistungsniveau wird meist seitens des Lehrpersonals absichtlich niedrig gehalten, um das Arbeiten auf gleichem Niveau zu ermöglichen. Dieses darf nicht abgesenkt werden, nur weil ein Student oder ein paar Leute zu faul und zu dumm sind! Sogar Arbeiten, die eigentlich nicht dem Hochschulniveau entsprechen, werden meist noch mit einer guten Note bewertet. Anwesenheit genügt. Dadurch besteht auch kein Ansporn hohe Leistungen zu erbringen. „Irgendwie komm ich eh immer durch!“ Demnach wird das „Schlecht sein“ auch nicht mit einer negativen Note bestraft. Eine Leistungsgerechte Beurteilung ist erforderlich!

Was ich bei der einer LV im 3. Semester gelernt habe, brauche ich nicht noch einmal in einer LV im 7. Semester hören, und vor allem nicht noch einmal von Grund auf. Es ist ermüdend immer wieder das Gleiche durchzukauen. Wenn jemand die Voraussetzung bzw. das Wissen für ein Fach in einem höheren Semester nicht hat, muss er sich die mangelnden Informationen selbst erarbeiten ansonsten schafft er die Lehrveranstaltung einfach nicht! Eine Zugangsbeschränkung kann auch mit reinem Leistungs-/Wissenserfordernis erreicht werden. Das Studium sollte unserer Meinung nach aufbauend sein und bis zum Studienende zu mehr bzw. vielfältigen Wissen führen.

§ Institutsprofessoren

Viele LV werden trotz Ankündigung nicht von einem Professor betreut. Wie kann es sein, dass ein Professor nur drei mal zu einem Entwerfen erscheint? Um sich ein reales Bild von den Leistungen der Studenten zu machen, fehlt ihm unserer Meinung nach die Zeit. Professoren die nie bis selten da sind, können kein Institut professionell leiten und in einem noch geringerem Maße Studenten fachgemäß und ausreichend betreuen. Unsere Forderung ist also, wenn ein Architekt oder Wissenschaftler an ein Institut berufen wird, sollte er 100% seiner Arbeitszeit da sein und nicht nebenbei Vollzeit ein Studio/Büro führen. Um der Gefahr zu entrinnen realitäts- oder praxisfremd zu werden, sollte er spezialisiertes Fachpersonal mit Schwerpunktwissen an sein Institut berufen, das ihn bei seiner Arbeit, Forschung sowie Lehre unterstützt. Das dies nicht der Fall ist, scheint ein Grund zu sein, warum mangelndes Wissen quer durch alle Ebenen vermittelt wird.

§ Vernetzung

Warum wird die Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten der TU Graz und auch darüber hinaus, nicht bereits während des Studiums stärker gefördert? Im späteren Berufsleben stellt diese Vernetzung immerhin die Regel und nicht die Ausnahme dar. Zwar existieren bei vereinzelten Lehrveranstaltungen Kooperationen, jedoch sind diese nur auf die Lehrtätigkeit beschränkt. Das Ziel ist aber, mit Studenten aus anderen Sparten, gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Selbst die Institute untereinander, wissen oft nicht genau, womit die Kollegen gerade beschäftigt sind und so kommt es immer wieder zu unnötigen, inhaltlichen Überschneidungen. In vielen Fällen bietet die Zusammenarbeit mehrerer Institute großes Potential, zur tiefer gehenden und vielfältigeren Auseinandersetzung mit einem Themengebiet.

§ Diplom

Die Regelung, dass nur Professoren Diplomarbeiten betreuen dürfen, resultiert nicht in einer Qualitätssteigerung der Projekte. Eher leidet die Qualität der Arbeiten, weil zu viele Studierende bei einem Professor sind, der dadurch weniger Zeit hat. Die oben genannten Gründe von wegen „Vollzeitarchitekt“ in der Wirtschaft tragen auch ihren Teil dazu bei. Viele Diplomanden sind verärgert. Meist aufgrund mangelnder und schlechter Betreuung. Allen, die vor ihrer Diplomarbeit stehen wird gesagt: „Mach einfach schnell irgendwas!“ – Warum gibt es dann überhaupt noch so etwas wie eine wissenschaftliche Arbeit, die sich Diplomarbeit nennt, wenn sie keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit hat? Es stellt sich die Frage: Wieso wird dieses erhabene Bild des Hochschulabschlusses dann nicht gleich abgeschafft? Die Diplomarbeit könnte durch ein letztes Studio ersetzt werden. Das Thema wird vorgegeben, jeder hat 15 Wochen Zeit, dann gibt’s den Titel. Geht doch viel schneller und ist super zum Vergleichen! – Es gibt Regeln für eine wissenschaftliche Arbeit, die als Mindestanforderung auch für Diplomarbeiten gelten! Schließlich heißt es ja schon im Titel „Master of Science“, wörtlich übersetzt also, ein Meister der Wissenschaft der seine Wissenschaft beherrscht.

§ Infrastruktur

Die terminliche Abstimmung von Lehrveranstaltungen im Semesterverlauf funktioniert nicht. Die Überschneidungen von Pflicht-LV mit Wahlfächern, vor allem im Masterbereich ist sehr ärgerlich 😦

Für viele Lehrveranstaltungen gibt es keine oder nur schlechte Infrastruktur. Mir fallen dazu sofort mehrere Beispiele ein: Bei den Projektübungen fehlen meist die Studioräumlichkeiten. Wozu werden diese denn überhaupt benötigt? Schließlich gibt es an der TU das etablierte Zeichensaalsystem zum gemeinschaftlichen Arbeiten. Es scheint zwar genug Räumlichkeiten an der TU Graz zu geben, jedoch werden diese sehr ineffizient genutzt. Besser wäre es doch, das Bekannte an die heutigen Erfordernisse anzupassen. → Link zu AZ-Neu.

§ Verschircherungen

Ist an einer Architekturuni schon alles egal? Gibt es keinen Gestaltungswillen mehr? Ist der Anspruch auf qualitätsvolles Design und fachgerechte Umsetzung völlig verloren gegangen? Eines der deutlichsten Beispiele – ein nicht nur von Studenten diskutiertes Thema – sind die ständigen, anscheinend gut gemeinten Umbauten und Adaptionen im Park der alten Technik. Anstatt das Geld in unnötige Umbauten zu investieren, wäre es wohl besser, es den Instituten/Fakultäten für die Lehre zu geben! Oft wäre eine Möglichkeit zur Umsetzung der Theorie in die Praxis für Studenten wünschenswert – auch handwerklich. Könnten nicht die Architekturstudenten die Chance bekommen, ihre Entwürfe anzuwenden oder ihre Ideen in die Realität umzusetzen? Wir schämen uns.

¹ Hans Gangoly in: Christof Huemer, „Freier, kleiner, länger“, design monat graz magazin, Juni 2011, 30.

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