Chaos, Hass, Zerstörung


Wir sind in einer Zeit in der noch Chaos, Hass, Zerstörung und Unzufriedenheit als Spuren des Krieges regieren. Der Unmut ist groß, das Geld ist knapp und der Wiederaufbau hat begonnen – Was, Wie und Wo, wird von den Kulturträgern entschieden.

Der Unterschied zu den Nachkriegsjahren, die Roland Reiner in „Österreich Land im Aufstieg“ beschreibt, besteht lediglich darin, dass dieser Krieg schon einige Zeit hinter uns liegt und sich die Spuren verflüchtigt haben. Was uns blieb, ist der nicht enden wollende Wiederaufbau.¹

Zerstörung in Form von materiellem Schaden ist weniger ein wesentlicher Bestandteil, als der der Vernichtung von Generationen selbstdenkender und freischaffender Individuen im Bildungswesen.

Es ist vielmehr das Gebot, Sklaven der Wirtschaft zu formen und junge Menschen als „Fachtrottel“, oder um es schön zu formulieren, als spezialisierte Fachkräfte auf den Markt zu bringen. Und das alles, in einer Zeit, in der interdisziplinäres Denken, Handeln und Arbeiten von enormer Wichtigkeit sind und dies in verschiedensten Bereichen als Anforderung gesehen wird.

Hier schläft wohl das System – Bildung? Flexibilität?

Das System, im Wesentlichen ein hochkomplexes Gestrüpp aus Politik und staatlichem Irrsinn, ist an unserer Fakultät, ein aus Instituten und Zeichensälen bestehendes Netzwerk, mit dem kleinen Problem, dass das Netz ein nichtvorhandenes Gut darstellt.

Anfänglich als die Geburtsstätte großer „Architekten“ gehandelt, ist der Zeichensaal heute nur mehr eine Ansammlung von Individuen, die dem Kollektiv unterliegen. Ein Haufen demotivierter Menschen, welcher nicht durch die Qualität seiner Arbeiten auffällt, sondern in Form von Zugehörigkeit einer Arbeitsplatzgemeinschaft! Somit stellt sich die Frage, in wie weit sich der Zeichensaal als solcher, seinem Ruf in der „Grazer-Szene“ entsprechend, ohne nun die „Grazer Schule“ erwähnen zu müssen, mit der Situation von Arbeitsplatzschaffung für jedermann und der Anforderung der Interessenselite vereinbaren lässt.

Die kürzlich losgetretene Zeichensaaldebatte, in Bezug auf die Berechtigung zu existieren, ist aktueller als je zuvor. Elitäre Gedanken, Ausschluss und Selektion waren in der Zeit als die Säle gegründet wurden an der Tagesordnung. Entstanden aus dem Drang Platz für Arbeit und Austausch zu schaffen, etablierten sich die Räumlichkeiten schnell zu Schmieden für Innovation und „Know How“.

Jahrzehnte später sind wir ironischer Weise in der Situation, den oben erwähnten Mangel an Platz wiederum als Antrieb für Veränderung zu „schätzen“, diesmal aber im umgekehrten Sinn. Durch das bewusst werden dieser Tatsache, stellt sich des Weiteren die Frage, ob diese Form der Gemeinschaften, wie sie mittlerweile bestehen, überhaupt eine Berechtigung in den universitären Räumlichkeiten haben?

Ein Kollege meinte bei einer Diskussion, dass die „Privaten“ die Schuld tragen, wobei die Öffentlichen die Not bzw. den Umstand haben, jeden nehmen zu müssen! Im Gegensatz dazu, hat der private AZ (Architekturzeichensaal) die Möglichkeit sich die Mitglieder klarer aussuchen zu können.²

Platznot macht erfinderisch, der Gedanke der Meisterklassen kam auf.

Würde dies uns Studenten schaden?

Zwar sind in den sogenannten Meisterklassen Analogien zu einem „gewöhnlichen Arbeitskreis“ zu erkennen, jedoch mit einem kleinen Unterschied, dass diese durch einen Mentor oder Meister geleitet werden, quasi nicht frei und unabhängig sind!

Hat also eine Gemeinschaft Zukunft, die nur durch die räumliche Situation bedingt als Gruppe lesbar ist und künstlich durch ein internes „Oberhaupt“ am Leben erhalten wird?

Meiner Meinung nach, sollte der AZ die Möglichkeit der Selbstorganisation, der Entfaltung und einen Ort für Vernetzungen bieten und weniger die Merkmale von Passivität und Schule aufweisen, in der das Gebot, das Muster eines Lehrers (Meisters) oktroyiert wird – also keine Meisterklassen.

„Ich will nicht der Schüler von jemandem sein!“

Wäre es nicht an der Zeit umzudenken und sich nach außen hin zu öffnen?

Es muss vielmehr ein Ort für Austausch geboten werden und kein Friedhof Architektonischer Kreativität! Die Überlegung besteht nun darin, die Säle in ihrer Art zu Arbeiten umzustrukturieren und nach Interessensfeldern zu organisieren. Nicht im Sinne, dass Potenzial und Austausch gehemmt werden, sondern sich Studierende unter Geleichgesinnten austoben können.

Ist es möglich, mit den komischen und unreifen Studenten zu kooperieren?

Die Fakultät braucht neue Räumlichkeiten und die der Zeichensäle sind vom Großen Wert.

Schon der bloße Gedanke, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen, bietet die Lösung des Problems, sie nicht ihrer Arbeitsweise zu beschneiden, ihnen den Platz zu nehmen – Transformation der öffentlichen AZ zu Projektstudios? – und sie als zukünftige Kollegen zu begreifen, zu respektieren. Der Studenten muss unterstützt werden, damit ein vollwertiger Partner entstehen kann, anstatt ein funktionierender „Techniker“ im Büro!

Runter vom hohen Ross der Architektengeneration „Post Grazer Schule“!

¹ Vgl.: Roland Reiner „Moderne Architektur in Österreich“. In Österreich Land im Aufstieg, (Hg) Robert Stern und Hans Fabigan, Wien 1955 (Europa Verlag), 301-305.

² Architekturstudent, Mitglied eines öffentlichen Zeichensaals

©lemarewe