ARCHITEKTUR MUSS BRENNEN, NICHT BLENDEN


von Stefanie Lang & Matthias Wild

Am Beginn des vorigen Jahrhunderts haben bedeutende Schulen mit herausragenden Größen die Bühne der Welt betreten. Einrichtungen wie die Kunstschule in Finnland von Eliel Saarinen, das Bauhaus, sowie die eigens initiierte Architekturschule von Frank L. Wright, haben durch ihr Wirken das Verständnis des Lehrens auf der Ebene der Architektur geprägt und verändert. Durch das Leben aus Gemeinschaft und dem intensiven Austausch und Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden, wurde Architektur auf einem neuen Level geschaffen. Diese direkte Wissensvermittlung führte zu einer Bewegung, einer Form von Architektur, die bis heute in den Köpfen der Architekten vorhanden ist und maßgeblich an der Entwicklung der Moderne beteiligt war. Überzeugung, Interesse und Leidenschaft hat diese Architektur, und jene, die für die Weitergabe des Wissens und der notwendigen Erfahrungswerte verantwortlich waren, geprägt.

Die Probleme im österreichischen Bildungssystem finden sich auch in der Verwirrung und dem wahren Zustand des Lehrprogrammes der Architekturfakultäten wieder.

Wir haben gelernt, dass der Austausch der Studenten untereinander, das Kommunizieren auf einer Ebene, auch mit Dozenten, und das Bestreben, gute Architektur um der Architektur Willen zu produzieren, der Sinn unserer Tätigkeit sein sollte. Es wurde das Verständnis gewonnen, dass der Bereich der Architektur nicht von der Einwirkung und dem Austausch mit dem verwandten und eng zusammenhängenden Sachgebiet der Bauingenieure getrennt werden darf. Das starke Separieren dieser Berufsgruppen hat im Laufe der Zeit dazu geführt, dass die Architekturstudenten von heute, sich nur noch auf ihre gestalterische Funktion berufen, während die Bauingenieure auf ihre Rechenkenntnisse so erpicht sind, dass die Architektur bzw. das Erforschen der Baukunst vollkommen in den Hintergrund gedrängt wird.

„So wie du bist, so sind auch deine Gebäude.“

Louis Sullivan, 1924

Für ihn waren der Mensch und die Architektur untrennbar miteinander verbunden. Wenn der Mensch untrennbar mit Architektur verbunden ist, sollte dann nicht auch der Mensch im Zentrum unserer Ausbildung stehen? Das Gebäude muss sich seinem Benutzer anpassen,

„Form follows function“

Louis Sullivan, 1896

„Etwas Unpraktisches kann nicht schön sein“

Otto Wagner, 1896

Wenn wir uns an den heutigen Bildungsstätten der Technischen Universitäten umsehen, dann müssen wir feststellen, dass die Kommunikation zwischen Studierenden und Dozenten, sowie innerhalb dieser beiden Gruppen, nicht ideal vonstatten geht. Was unter anderem auch auf die Baumasse, deren Einteilung und Gestaltung zurückzuführen ist. Es wird eine gewisse Dissonanz zwischen Unterrichtsräumlichkeiten und Unterrichtsform verspürt, wobei festgehalten werden muss, dass beide in ihrer jetzigen Form weder produktivitäts– noch kreativitätsfördernd sind.

„Wir wollen Architektur die mehr hat. Architektur, die blutet, die erschöpft, die dreht und meinetwegen bricht. Architektur, die leuchtet, die sticht, die fetzt und unter Dehnung reisst. […] Wenn sie kalt ist, dann kalt wie ein Eisblock. Wenn sie heiß ist, dann heiß wie ein Flammenflügel. Architektur muss brennen.“

Wolfgang Prix, Coop Himmelb(l)au, 1980

Die im vorangegangenen Zitat erwähnte Forderung nach extremer und vielfältiger Architektur setzt eine gewisse Form der Wissensvermittlung, wie sie auch im Fall der Eingangs erwähnten Architekturschulen praktiziert wurde, voraus. Der Gedanke des Zitats ging insofern verloren, als die Aussagekraft und Qualität der Architektur vorwiegend auf optische Reize und Effekthascherei reduziert wird. Architektur muss brennen, nicht blenden. Es scheint als wäre der Erfolg eines Projektes eher durch gekonnte Visualisierung und bestechende Darstellung, als durch qualitative, durchdachte und funktionelle Architektur zu erreichen. Klare, verständliche Darstellung und eine gewisse Präsentationsgabe sind Grundvoraussetzungen des Architekten, nicht zuletzt um das Entwurfskonzept auch Laien verständlich zu übermitteln, aber diese Werkzeuge entscheiden nicht über die Raffinesse des Projekts.

Architektur ist einem permanenten Wandel unterworfen, der eine nachhaltige, energieeffiziente, funktionelle und somit zeitgemäße Verantwortungsarchitektur erfordert.

„Es ist immer gefährlich, wenn Architekten sagen, sie sind Künstler“

Klaus Kada, 2003

Durch das Auftreten der Fachhochschulen hat sich das Programm der TU noch weiter von wirtschaftlichen Aspekten entfernt, anstatt die postitiven Aspekte der FH aufzugreifen und zu verbessern. Die Unterrichtsform der FH ist keinesfalls zu Unterstützen, die Verschulung und Klassenbildung, weitestgehend ohne Austausch zwischen den einzelnen Lerngruppen ist für einen kreativitätsfördernden Unterricht ungeeignet. Kreativität resultiert aus Abwechslung.

„Die große Gefahr der modernen Architektur ist der Bazillus der Monotonie.“

Alvar Aalto

Folglich sollte diese Konkurrenz als Anstoß zum gesunden Wettbewerb gesehen werden, bei dem die TU zwar alle Trümpfe in der Hand hält, diese jedoch nicht richtig auszuspielen vermag. Die ohnehin schon starke Vernetzung aller Studierenden eines Jahrgangs sollte verstärkt und gefördert werden – eine Aufgabe, die die Architektur des Architekturstudiums übernehmen kann und muss.

„Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen.“

Walter Gropius, 1956

Transparente, offene Räume, vom Gang aus einsehbar, verstärken den Impuls und das Interesse füreinander und fördern den grundlegenden Gedanken der Universität, voneinander zu lernen und sich selbstständig Wissen anzueignen. Wenn die Seminarräume gleichartiger Lehrveranstaltungen in geringen Abständen voneinander angeordnet sind, und nicht wie heute am gesamten Unicampus verstreut liegen, kann die interaktive Kommunikation optimal vonstatten gehen, man trifft sich ganz automatisch. Die Räumlichkeiten sollten um einen zentralen, offenen Platz arrangiert sein, der nicht nur als Erschließungszone, sondern auch als Kommunikationsfläche und Treffpunkt funktioniert. Die Räume selbst sollen ähnlich den Zeichensälen, oder dem HS2 organisiert sein, mit variabel anordenbaren Tischgruppen, um auch die Kommunikation innerhalb der Arbeitsgruppen zu forcieren. Der Zeichensaalcharakter bringt eine Durchdringung von Arbeit und Freizeit, bzw. von Arbeits- und Wohnräumen, ein funktionierendes universitäres Gesprächs- und Arbeitsklima erfordert eine Innere Transparenz.

„Die Qualität von Städten und Plätzen lässt sich am Reißbrett entwerfen, ihre Schönheit kommt durch die Zeit.“

Renzo Piano

Die Umstellung auf das Bakkalaureat erwirkte eine starke Verschulung, welche die Interessen und Freiheiten des einzelnen Studierenden enorm einschränken, und eine weitestgehend individuelle Gestaltung des Studiums durch restriktive Durchsetzung einer Voraussetzungspolitik nahezu unmöglich macht. Das enorme Spektrum der Architektur und deren Möglichkeiten wird auf ein Minimum reduziert und die Studenten bewusst in eine vorgegebene Richtung geleitet, anstatt ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Weg selbst zu finden. Die Zeit der Ausbildung muss als eine Testphase verstanden werden, in der vermittelt wird, wo die Schwerpunkte und Prioritäten in einem späteren Berufsleben gesetzt werden, in welchem Teilbereich der Architektur auch immer. Gute Architektur wird durch Empathie geschaffen, welche in der Trainingsphase, dem Studium, in der keine Konsequenzen zu befürchten sind, durch das Diskutieren und Kommunizieren untereinander erreicht werden kann.

Der Bachelor muss als Basis verstanden werden, in dem der Student/die Studentin die grundlegenden Werkzeuge der Architektur, eines Architekten erlernt, um sich im Master den eigenen Interessen entsprechend weiterzubilden. Die Grundausbildung muss jedoch so weitreichend sein, dass der Student nach erfolgreichem Abschluss derselbigen befähigt ist, in einem Architekturbüro zu arbeiten.

Hierfür wäre eine intensivere Ausbildung erforderlich, welche natürlich auch mehr Zeit in Anspruch nimmt. 8 Semester sind ein idealer Kompromiss, bei dem sich Möglichkeiten wie mehrsemestrige Projekte und weitreichendere Themenauseinandersetzungen, bzw. –vertiefungen eröffnen. Weiters kann dadurch erst die intensivere Verbindung der einzelnen Teilbereiche, die das vernetzte Denken, Quintessenz des Architekturberufs, erfordern, weitreichender behandelt werden.

„Meine Beobachtung an den Hochschulen ist: Jeder schaut in einen PC rein, die können schon keine Bleistifte mehr halten. […]Die Idee war immer eine Handskizze.“

Günther Domenig, 2003

Ein optimaleres Konzept wäre die Zusammenfassung der Fächer des ersten Studienjahrs auf 3 Teilbereiche:

  • Gestalten, Entwerfen und Konstruieren,
  • Tragwerksentwurf und Bauphysik, sowie
  • Architekturgeschichte, Wirtschaft und Soziologie.

Dadurch wird der Gesamtumfang, sowie das Anforderungsprofil an einen Architekten bedeutend besser simuliert, die Studierenden bekommen einen realistischen Eindruck über den Architekturberuf, und ob sie für selbigen geeignet sind. In diesen beiden Semestern ist ein fix festgelegter Lehrstoff zu vermitteln, der allen Studierenden, egal welcher Vorbildung, eine solide Basis für das weitere Studium vermittelt, und bei entsprechend strenger Beurteilung einen Eignungstest ersetzt.

„Die Ausbildung vermittelt den Studierenden auf wissenschaftlicher Basis ein Grundlagenwissen in der Methodik des architektonischen Entwerfens und Konstruierens und in der ganzheitlichen Bewältigung architektonischer Aufgaben[…]“

Studienreglement 2011 für den Bachelor-Studiengang Architektur, ETH Zürich.

In Folge dessen wird auch die Diskrepanz der Qualität zwischen den einzelnen Instituten verringert, auch wenn es den Instituten freisteht wie sie die geforderten Lehrinhalte überbringen. Das Konzept soll in den weiteren Semestern ähnlich weitergeführt, die fächerübergreifende Lehrmethode beibehalten werden. Die Inhalte werden detaillierter und weiter vertieft, es kommen Fächer wie Städtebau, Gebäudelehre, Gebäudetechnik, Baurecht, Geschichte des Städtebaus, Denkmalschutz, Landschaftsarchitektur, sowie Bauprozesse und Bauforschung hinzu. Außerdem werden 2-wöchige Seminare, bzw. Workshops zu Themengebieten neben der klassischen Architektur, wie „Grundlagen des Designs“, „Grafik und Typografie“, „Innenarchitektur und Lichtplanung“, „Architekturfotografie“ und Ähnliche, anstatt der herkömmlichen, vertiefenden Themen, angeboten.

Weiters ist im Laufe des Bachelors ein mehrmonatiges Praktikum in Architekturbüros zu absolvieren, sowie gegen Ende der Bachelorausbildung, im 7.Semester, ein Auslandsaufenthalt vorgesehen, der sowohl dem kulturellen Austausch, als auch der technischen Weiterbildung dienen soll.

„Architektur ist die einfachste und billigste Bildungseinrichtung, die die Gesellschaft überhaupt hat. Es ist ein Beweis dafür, wie die Gesellschaft existiert und wie sie existiert hat. Und das zu übersetzen, diese Sprache zu finden, das ist etwas, was die Gesellschaft unbedingt braucht. Das ist das wichtigste überhaupt, denn sonst ist sie nicht in der Lage, ihre eigene Zeit zu erkennen.“

Klaus Kada, 2003

Der Masterstudienplan unterscheidet sich grundlegend von jenem des Bachelors. Hier wird den Studierenden in 5 Semestern die Möglichkeit gegeben, sich für die weitere Berufsorientierung zu spezialisieren, um eine dementsprechend umfassende Ausbildung innerhalb des Spezialgebiets zu erhalten. Die Spezialisierung im Master durch die Wahl unterschiedlicher Lehrveranstaltungen bzw. –themen reicht nicht aus um die Themenbereiche ausreichend tiefgründig zu behandeln. Ein Modulsystem, in dem die einzelnen Spezifikationen über die gesamte Dauer des Masterstudiums intensiv behandelt und erlernt werden, und das parallel zu einer teilzeitlichen Anstellung verläuft. Es ist in weiterer Folge natürlich ebenfalls möglich, mehrere Module nacheinander zu absolvieren und es wird eine hervorragende Brücke zwischen Theorie und Praxis geschaffen.

Die vorgesehenen Module sind:

  • Klassische Architektur,
  • Digitale Parametrische Architektur,
  • Innenarchitektur und Design,
  • Städteplanung, sowie
  • Architektur und Energie

Im Modul „klassische Architektur“ wird das im Bachelor erlernte Wissen vertieft und vor allem in Richtung Baustellenabläufe, Wirtschaft und Recht intensiviert, in „Architektur und Energie“ nicht nur die Energieeffizienz der Form von Gebäuden, sondern auch deren technischer Inhalt abgehandelt, usw. Ein gewisser Grundstock wird allerdings in allen 5 Modulen erlernt, um dem Titel des Master of Architecture gerecht zu werden.

Ziel dieses Programms ist es, die fundamentalen Inhalte des jetzigen Masterstudiums bereits im Bachelor abgehandelt zu haben, um sich im Masterabschnitt spezialisieren zu können, und viel tiefgreifenderes Wissen zu erlangen.

„Architektur ist Plastik, aber sie hat ein Klo. Diese Architektur, die wir machen, braucht unsere Gesellschaft wie einen Bissen Brot. Wenn wir nicht in der Lage sind, diese Art von Denken zu erlauben, dann schneiden wir uns die Ressourcen der Zukunft ab.“

Wolfgang Prix, 2003

Ebenfalls ist es uns ein Bedürfnis die Architektur nicht nur auf der Uni zu belassen, sondern in die Stadt, zu den Menschen hinauszutragen. Im Umfeld bedeutender Grazer Bauwerke werden Architekturplattformen geschaffen, wo besagte Gebäude beschrieben, und die Arbeiten der Studierenden ausgestellt werden. Es ist uns ein Anliegen das Bewusstsein der Bevölkerung für die Arbeit der Architekten zu stärken und auf die Allgegenwärtigkeit der Baukunst hinzuweisen. Somit wäre auch eine Transparenz nach Außen gegeben, die der Profession des Architekten wieder mehr Gewicht gibt.

„Es gibt einige Leute, die interessiert daran sind, es gibt vielleicht auch Institutionen, die interessiert daran sind, und es gibt auch ganz spezifische Bauherren, die interessiert daran sind, Architektur als Transportmittel zu verwenden. […] Architektur ist auch international immer nur eine Angelegenheit von wenigen, die erkannt haben, was das eigentlich sein kann.“

Klaus Kada, 2003



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