Lieber Architekturstudent, liebe Architekturstudentin,


hast du deine Lehrveranstaltungen vom letzten Semester evaluiert? Vieleicht nur die Ein oder Andere oder gar keine? Wieso nicht? Meinst du etwa, das diese Evaluierungen ohnehin nichts ändern, obwohl du eigentlich unzufrieden bist? Oder ist dir die ganze Sache einfach gleichgültig, wer macht schon dieselbe LV ein zweites Mal…. Hauptsache vorbei und positiv. Eigentlich wollten wir mehr Basisdemokratie an der Universität vorschlagen, dass Studenten und Lehrende stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Welche Veränderungen im Studienplan vorgenommen werden, mit wem neue Stellen besetzt werden usw. Wenn wir allerdings an die niedrige Beteiligung bei den ÖH-Wahlen und an die noch deutlich niedrigere Rücklaufquote der Evaluierungen denke, sind wir uns nicht mehr ganz sicher, ob ein derartiges Modell fruchtet. Die Masse ist allem Anschein nach ohnmächtig bzw. bist du in der Masse orientierungslos geworden. Aber wenn die Masse ohnmächtig ist, wer hat dann eigentlich noch Macht? Wer darf entscheiden? Was würde es überhaupt bedeuten, wenn du als Student mehr Einfluss ausüben kannst? Auf wen und um was damit zu erreichen? Und die wichtigste aller Fragen, ist das alles noch nachhaltig?

Horkheimer und Adorno stellten bereits 1944 fest, dass „Die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität, die einerseits die Bedingungen für eine gerechtere Welt herstellt, verleiht andererseits den technischen Apparat und den sozialen Gruppen, die über ihn verfügen, eine unmäßige Überlegenheit über den Rest der Bevölkerung. Der Einzelne wird gegenüber den ökonomischen Mächten vollends annuliert. […] (und) während […] (er) vor dem Apparat verschwindet, den er bedient, wird er von diesem besser als je versorgt. Im ungerechten Zustand steigt die Ohnmacht und Lenkbarkeit der Masse mit der ihr zugeteilten Gütermenge.“¹ Ist tatsächliche Veränderung also überhaupt noch möglich unter der „Last“ der Güter? Hängen wir bereits am Tropf und wollen ihn nicht mehr herausreißen, nie wieder feste Nahrung kauen? Soll’s das gewesen sein, lieber Student?

¹ Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2004), 4-5.

©lemarewe



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